7. Verpflegung

Zum normalen Frühstück gab es Marmelade, Butter und Brot. Das Brot immer frisch, Muckefuck (Malzkaffee) oder wenn gewünscht Hängulin-Tee. Jeden Morgen konnte man, natürlich wieder mit Marschieren verbunden, seinen tiefen Teller mit Milch- oder Schokoladensuppe füllen lassen. Letztere konnte selbst ich nur loben. Die war immer (!) lecker.

Das Mittagessen wurde grundsätzlich im Objekt gekocht, war also stets frisch. Immer nahrhaft, nicht immer schmackhaft! Aber das war subjektiv, wie im Kinderferienlager oder der Schule, reine Geschmackssache.

Abends gab es grundsätzlich neben Brot und Schmalz / Margarine pro Rekrut 60 g Wurst, meist 2 Scheiben. Das war sehr wenig und oft Anlass für Beschwerden beim Furier, dem für die Verpflegung verantwortliche Unteroffizier. Diese wurden zwar gehört aber nicht erhört. Beilagen waren wechselnd toter Hering eingelegt oder toter Hering sauer, Harzkäse, oft auch Mittagsreste warm, wie beispielsweise Bratkartoffeln. Angeblich war aus Fürsorgegründen das berüchtigte “Hängulin” im Tee. Ich habe jedoch nie Kräfteverluste verspürt …hatte immer Lust auf Freigang.

Damals haben wir schon aus Prinzip über das Essen gemeckert, rückblickend aber muss objektiv das Essen als reichlich bezeichnet werden. Wie sagte doch das Mitglied des Zentralkomitee der SED Grüneberg1 treffend: “Kartoffeln gab’s immer!”

Katastrophal gestalteten sich allerdings die 3 Komplekte-Tage2, die monatlich zelebriert wurden. Bitte keine Fragen was das ist, denn ich beschreibe sie jetzt freiwillig: An diesen 3 aufeinander folgenden Tagen wurde nur Verpflegung aus der Staatsreserve mit und ohne Verfallsdatum ausgegeben. Nichts anderes! Das “Atombrot”, graue und unansehnliche in Zellophan verpackte 3-Pfund-Brote, mit irgend einer Chemikalie auf ewig haltbar gemacht, war mehrere Jahre alt und ekelig. Schäumte beim Zerkauen. Der älteste in kleinen Büchsen verpackte Chester-Käse war aus dem Jahr 1959. War auf dem eingestanzten Herstellungsdatum noch deutlich zu erkennen. Des weiteren gab es uralte Wurst- und Fleischwaren jeglicher Art. Ein wohliger Lichtblick waren dann die selten verteilten, goldfarbenen, neuen, etwa 1-kg schweren Schmalzfleisch-Dosen. So gutes Schmalzfleisch habe ich nie wieder gegessen. Wirklich! Als unsere ersten Komplekte-Tage vorüber waren, gab es noch tagelang Atombrot. Beschweren zwecklos!

Ein Küchenbulle lachte sich über uns hunderte neuen Blödmänner kaputt und gab uns dann den entscheidenden Tipp: Wir sollten doch alles Ekelige in größtmöglichen Mengen ordern, damit es in der Ausgabe weniger wird. Da hätten wir auch selbst drauf kommen können… So forderten wir nun so schnell es ging das Atombrot ab, damit ging es gut getarnt direkt zur Entsorgung schnurstracks auf den “Donnerbalken”. Gut doch, dass wir keine Wasserspülung hatten, das Brot wäre nie durch die Rohre gegangen. Die nächsten 17 monatlichen Komplekte-Tage haben wir fast kein Atombrot mehr gegessen. Aber entsorgt…

Im Jahr 1971 gab es offensichtlich schon einmal Hühner(vogel)grippe! Und somit Notschlachtungen am laufenden Band nur noch für “VEB Hoffmann”.3 (Hoffmann war unser Armeegeneral). Über mindestens 3 Monate gab es ununterbrochen Hähnchen. Gekocht zum Mittag, gebraten zum 2. Frühstück und Abendbrot. Wer wollte, konnte Hähnchen bis zum Abwinken futtern. Doch man kann sich auch sehr schnell überfressen … der Ekel davor begann. Wir aber waren ebenso wie die Torgauer Zuchthäusler völlig entrechtet und mussten diese 12 Wochen der Eintönigkeit ertragen oder schlicht verhungern.

Neben unerträglich langen Arbeitstagen und schikanösen Demütigungen auch noch Essen zu empfangen, vor dem es einem graut, kann in dauernder Folge auch Folter sein…


  1. Sekretär für Landwirtschaft, gestorben 1981. ↩︎

  2. Komplekt (russisch); Büchsenfutter ↩︎

  3. VEB: Volkseigener Betrieb. ↩︎

Donnerstag, Dezember 24, 2009