17. Beinahe-Katastrophe im Bahnhof Elsnig

Unzählige Liter hochprozentigen Alkohols wurden im Laufe der langen Zeit in unsere Behausung eingeschmuggelt. Komisch, aber junge Männer trinken gern … Durst oder doch nur Imponiergehabe? Viel wurde vertilgt, spülte so manchen Ärger hinunter. Doch ebenso große Mengen wurde beim Versuch sie einzuschleusen schon konfisziert. Die allermeisten Heimkehrer wurden fast auf den Kopf gestellt. Es gab regelmäßige Leibesvisitationen. Pakete erreichten ihre Empfänger immer erst nach gemeinsamen Öffnen. Ich habe mit meinem Vater, eurem Opa und Uropa Reinhold, sogar Hochprozentigen im Urlaub zur Tarnung in Büchsen abgefüllt und verlötet. Erreichte auch immer sein Ziel! Ich wurde nie erwischt.

Alles wurde durchschnüffelt. Irgendein Vorgesetzter wollte immer Alkohol finden.

Um wieder etwas Platz in der Wäschekammer zu schaffen, denn hier lagerten auch alle anderen beschlagnahmten Sachen, wurde so mache Flasche Schnaps vom Hauptfeldwebel oder Schreiber dem “Allgemeinwohl” zugeführt. Im Winter war unser Tee oft einem Grog ähnlich, zumindest ansatzweise. Mit einer Kanne solchen Gebräus ausgestattet, fuhr wieder einmal ein Arbeitskommando nach Dienstschluss auf den Elsniger Bahnhof.

Hier mussten unsere Kameraden wieder Ziegelsteine entladen. Es war gegen Winterende Anfang 1971. Der Tee schmeckte wohl noch nicht kräftig genug und so wurde aus der Dorfkneipe alkoholischer Nachschub besorgt. Die Arbeit war schwer, ihre Lust auf dem Tiefpunkt, irgendwann wurde nur noch getrunken. Im Rausch drangen dann diese benebelten Soldaten in das kleine Stellwerk des Bahnhofs ein und fesselten die dort arbeitende Reichsbahnerin. Jetzt hantierte auch noch irgend einer am Weichenpult herum und verstellte die Weichen. Der Bahnerin gelang es glücklicher Weise, Dank einer steten Direktverbindung, “Hilfe!” ins Telefon zu schreien. Sofort setzte die Transportpolizei und der Bataillons-OvD1 die ganze Maschinerie in Gang. Die Soldaten wurden im Handstreich festgenommen. Nicht auszudenken, wenn der bald durchfahrende Regionalzug von Wittenberg nach Torgau (fuhr damals noch links-elbisch) aufs Abstellgleis gerauscht wäre …

Dieses Besäufnis bescherte nun den Beteiligten sicher Knast… Wohlmöglich Militärgericht mit anschließender Verwahrung in Schwedt. Aber wir waren ja bei “Hoffmanns Militär” und da war vieles schlussendlich ganz anders als man annahm… Nach den Verhören wurden die Leute plötzlich wieder auf freien Fuß gesetzt. Keinerlei Sanktionen! Nichts! Sie alle sagten nämlich übereinstimmend aus, dass sie den Befehl hatten, dort zu arbeiten und dazu verdonnert waren, den Tee zu trinken! Für das, was im Tee war, konnten sie ja nichts, sie wussten nicht, wie ihnen geschah… Ein jeder wusste, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Doch bei einer möglichen Verhandlung wären sicherlich auch Köpfe von Vorgesetzten gerollt! Fremde Köpfe hätten die gern geopfert, aber den eigenen??? Wie man die Reichsbahnerin mundtot bekam, weiß ich allerdings nicht…


  1. OvD: Offizier vom Dienst. ↩︎

Montag, Dezember 14, 2009