11. Hans Schnitzler / Politisches Feldforum

Irgendwann im Sommer 1970.

“Karl-Eduard von” kannten wir ja. Spätestens beim Montagabend-Fernsehprogramm lernten auch die bisherigen notorischen Westgucker diesen Schnitzler (genannt “Sudel-Ede”) beim “Schwarzen Kanal” kennen.

Karl-Eduard von Schnitzler

Aber wer zum Teufel war Hans Schnitzler? Bei einem Feldforum lernten wir auch ihn kennen. Dazu wurde mittags bereits die Arbeit beendet und wir mussten “ein Strich – kein Strich” anziehen. Also die Felddienstuniform, und in den angrenzenden Wald marschieren. Auf einer Lichtung saßen nun erwartungsvoll geschätzte 300 Soldaten. Nach kurzer militärischer Stillgestanden-Begrüßung durften wir uns wieder ins Gras lümmeln.

Klein-Hänschen war der Bruder vom großen Karl-Eduard von Schnitzler, dem politischen Chefkommentator des DDR-Fernsehens, aber älter. Schnitzlers Vater war Legationsrat und im Diplomatischen Dienst Vizekonsul in Shanghai. 1913 erhielt er in Würdigung seiner Verdienste den Preußischen Adelstitel. Im Gegensatz zu Karl-Eduard legte Hans keinerlei Wert auf diesen Titel.

“Ohne VON bitte”, war Hänschens erster Satz. Er philosophierte dann über das deutsch-deutsche Erwiderungstreffen der beiden Willi(y)s in Kassel vom 21. Mai 1970.1 Er erzählte uns, er hätte 3 Ordner voller Morddrohungen gegen seinen Bruder Karl-Eduard gesammelt. So böse sollen die “Bonner Ultras” und das konter-revolutionäre Gesindel aus Kassel unserem “Ede” zugesetzt haben. Damit wir es glaubten, verlas er nun einige “Originale”. Da war die Rede, dass Kassel genügend Laternen hätte, um Karl-Eduard von Schnitzler aufzuknüpfen… das alles zog sich bestimmt 2 Stunden hin. 2 Stunden voller Agitation und Hass-Tiraden auf den Bonner Staat.

War ansonsten aber ein schöner ruhiger und sonniger Nachmittag. Ohne Arbeit!

Ob “Sudel-Ede” aber je selbst in Kassel war oder nicht, weiß ich nicht mehr. Zum Glück wurde er auch nicht erhängt, denn sonst hätte der Deutsche Fernsehfunk ein Problem gehabt. Wie wäre dann das Sendeloch am Montagabend nach dem obligatorischen alten UFA-Spielfilm gefüllt worden? (Da lief immer seine Sendung “Der schwarze Kanal”.) Und die Soldaten konnten ja nicht auf die ARD umschalten… Dann wäre auch das politische Gleichgewicht in Europa stark gestört worden. Denn unser Schnitzler war ja das Gegenstück zum westdeutschen Widersacher Löwenthal…


  1. DDR-Ministerpräsident Willi Stoph und BRD-Bundeskanzler Willy Brandt trafen sich zum 2. Mal. Die erste Begegnung war das Erfurter Treffen am 19. März 1970. ↩︎

Sonntag, Dezember 20, 2009