5. Vorgesetzte

Nach 6 Monaten wurden wir rund 400 Arbeitssklaven VIZE! Um dies nach außen zu dokumentieren gab es die verbotene und darum erst recht praktizierte Sitte, dass sich alle Soldaten im zweiten Halbjahr ihre Schulterstücken knickten. Obwohl noch nicht befördert, konnte doch nun zumindest von Eingeweihten unsere verstrichene Dienstzeit abgelesen werden. Gleichzeitig wurde unser Gruppenführer M. verabschiedet und wir bekamen dafür einen degradierten Feldwebel, den Uffz. namens Peter Feldmann als neuen Anführer. Dieser hatte bei seiner ersten Probefahrt einer technisch generalüberholten Feuerwehr (S4000) auf der Betonstraßenausfahrt die Kurve nicht gekriegt und einen Straßenbaum der F182 umgefahren. Feuerwehrdienst ade! Technischer Dienst ade! Als weitere Strafe musste er uns übernehmen und 12.000.- Mark Regress für die demolierte Karre abstottern. Tolle Karriere! Sein persönlicher Wunsch war es übrigens, einmal im gerade tobenden Vietnamkrieg “so richtig mit rummetzeln” (wörtliche Wiedergabe) zu können. Ein armer dummer Tropp, schon älter, aber erschreckend unfertig… Oder hirnkrank!

Mich hat damals sehr beschäftigt, wie es wohl sein kann, dass in der DDR primitive, teils strohdumme Charaktere Vorgesetzte werden konnten. Eine Antwort bin ich mir schuldig geblieben. Ich möchte aber festhalten, dass es auch gescheite Vorgesetzte, wie Uffz. Reinhard Schmudt vom 1. Zug und unseren Zugführer Unterleutnant Peter Genscher gab. Leider aber waren die gescheiten Dienstgrade nach meiner Einschätzung deutlich in der Minderheit.

Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es an meinem Gedächtnis liegt, aber an mehr intelligente Wesen mit glitzernden Schulterklappen kann ich mich wahrlich nicht erinnern! Als Unterfeldwebel M. uns verließ, wurde fast zeitgleich auch unser bisheriger Spieß, der recht vernünftige Hauptfeldwebel Feri, durch ein absolutes Sonderexemplar ersetzt.

Bei dessen Erschaffung muss der Liebe Gott mächtig geschlampt haben. Dass unser neuer Spieß, Hauptfeldwebel Voigel, Kopfgröße 64 (!) hatte, stimmt zwar, war aber dennoch stete Irreführung. Hohl wie ein Halloween-Kürbis war der Mann. Und wo Hirn fehlt beginnt Dummheit!

Sein von uns geschätzter IQ: Im einstelligen Bereich! Er bekam dafür postwendend von uns den Spitznamen “Frostbeule” verpasst … Später erfuhren wir von Baupionier Kurt A. aus Friedensdorf bei Halle, dass dieser Voigel ihm schon aus seiner Berufsschule bekannt war. Er, Voigel, hatte damals wohl die 7. Klasse bestanden.

Dieser Mann wurde nun 2 mal wöchentlich geschult und hatte angeblich bereits nach 6 Monaten den Intellekt eines 10-Klassen-Schülers. So schnell kann’s gehen…

Da er dennoch mit weitem Abstand der Dümmste der Kompanie blieb, aber Befehlsgewalt besaß, kann man sich vorstellen, dass so etwas gefährlich war. Verbrecher waren in meinen Augen aber nie die Hohlkörper, sondern jene, welche davon wussten und diesen dummen Sadisten einsetzten und frei agieren ließen!

Bei seinem Polit-Unterricht muss Voigel immer geschlafen haben. Dort wurden ja alle Uniformierten zum abgrundtiefen Hass gegenüber dem Klassenfeind eingeschworen. Das kann jeder im Buch “Vom Sinn des Soldatseins”, welches jeder NVA-Soldat bei Dienstbeginn überreicht bekam, nachlesen. Mein Buch existiert noch.

Er bezog den Hass aber auf alle ihm Unterstellten. WIR waren also sein Klassenfeind, und nicht die zu “Söldnern abgerichteten Bundeswehrsoldaten”, wie es in unserem “Lehrbuch” geschrieben stand.

Schon bei seiner ersten allabendlichen Postausgabe, gab er uns einen Einblick in seine Geisteshaltung. Da er Soldat A. kannte, wurde diesem absolut grundlos sogleich die Post vorenthalten. Seine Minderwertigkeitskomplexe kompensierte Voigel durch Imponiergehabe. Kurt A. war einer der Älteren unserer Einheit — 26 Jahre alt. Da war es nicht verwunderlich, dass er ausrastete, als sein Brief aus der Heimat nicht ausgegeben wurde. “Du dummes Schwein, in der Schule saublöd und jetzt anständige Menschen schikanieren” – war sinngemäß seine erboste Reaktion. Und dies mit klarer, ganz tiefer männlicher Stimme! Das machte auf uns alle gewaltigen Eindruck und erweckte unsere Aufmerksamkeit. Kurt bekam postwendend Antwort in Form von Reinigungsarbeiten jeglicher erniedrigender Art. Post gab’s nicht! So oder ähnlich wurden uns nun fortlaufend tagtäglich die wenigen Minuten freier Zeit von Voigel gestohlen.

Man sollte denken, dass Kompaniechef Wichtig oder gar der Politoffizier, den sich jede Baukompanie hielt, unserer war Genosse Greul, solch hirnlosen Mitmenschen Einhalt gebieten würde, aber weit gefehlt. Diese Passivität hatte in den beginnenden 70er Jahren bereits Methode. Erniedrigen und quälen der Untergebenen war gewollt!

Freitag, Dezember 25, 2009